Thorsten Reinicke Media

Fahrradstrasse - Video

Harvestehuder Weg und Alsterufer in Hamburg
Alter Fahrradweg und neue Fahrradstraße

In 2014 und 2015 wurden die Straßen Harvestehuder Weg und Alsterufer in eine Fahrradstraße umgewandelt. Radfahrer haben Vorfahrt, aber die Straße darf auch von PKWs und Bussen befahren werden.

Das 2 1/2-minütige Video von 2015 zeigt im ersten Teil die neue Fahradstraße, im zweiten Teil Impressionen des alten Fahrradwegs. Das Material für den ersten Teil wurde 2014 in einem Zeitraum von nur 10 Minuten aufgenommen. Damals gab es auf der Fahrbahn noch markierte Parkplätze, die heute nicht mehr vorhanden sind. Es gibt aber immer noch Zeiten mit vergleichbarer Verkehrsdichte und der krasse Unterschied zwischen neuer Fahrradstraße und altem Fahrradweg ist nach wie vor gegeben.


Kommentar

Die Straßen Harvestehuder Weg und Alsterufer in Hamburg wurden ja in eine sogenannte »Fahrradstraße« umgewandelt bei gleichzeitig zugelassenem Kraftfahrzeugverkehr. Ich wohne in Winterhude und habe mein Büro im Karolinenviertel. Der Weg führt mit dem Fahrrad also fast automatisch an der Alster entlang. Ich fahre bei gutem Wetter die Strecke seit 2011 mit dem Fahrrad. Die Perspektve aus dem Auto ist mir ebenso vertraut.

Fahrradfahrer sollen hier Vorfahrt haben, so die behördliche Theorie. Wenn aber dem Radler 1,5 Tonnen Stahl samt Fahrer mit unruhigem Fuß am Gaspedal im Nacken sitzen, und von Vorn ein schwerer doppelstöckiger Stadtrundfahrtbus dem Radfahrer seine Luftverdrängung ins Gesicht schiebt, dann ist das rechtliche Konstrukt der Fahrrad-Vorfahrt Kraft des Faktischen aufgehoben. Es gibt dann keine Fahrradstraße mehr, völlig egal, was in der Planung in den Aktenschränken der Amtsstuben geschrieben steht. Da ist jede andere Straße mit seitlichem Fahrradstreifen angenehmer.

Die Planer haben die Fahrbahn schmaler gemacht und neben den PKWs und einer zunehmenden Zahl an großen Stadtrundfahrt- und Touristenbussen auch noch die Fahrradfahrer mit hinein geplant. Die ehemals vorbildliche Trennung von Fahrrad- und Kfz-Verkehr wurde aufgehoben, der alte Radweg teilweise rückgebaut.

Das Ergebnis ist ein »Kampf um die Straße«. Autofahrer sind entnervt, weil sie nur langsam fahren dürfen und durch noch langsamere Radfahrer ausgebremst werden. Sobald sie können, geben sie Gas und rauschen mit 40 bis 60 kmh dicht an den Radfahrern vorbei. Erlaubt sind 30 kmh und es sollte eigentlich ein Mindestabstand eingehalten werden. Für Radfahrer ist es darüberhinaus unangenehm, wenn ihnen die breite und hohe Front der schweren Busse entgegenkommt, die sich teils sogar zwischen zwei sich entgegenkommenden Radfahrern hindurchdrängen und dadurch den Mindestabstand nicht mehr einhalten können. Ich erlebe es wiederholt, daß ich scharf geschnitten werde. Es ist eine für alle Beteiligten nervöse Verkehrssituation.

Mir ist keine andere Fahrradstrecke bekannt, auf der dem Radfahrer so viele Busse entgegenkommen, als ausgerechnet auf dieser Fahrradstraße. Vom Anfang Harvesterhuder Weg bis zur Fontenay braucht der Radfahrer rund fünf Minuten. In dieser Zeit kommen mir hier tagsüber drei bis fünf Busse entgegen, einmal waren sieben. Die stoßen auch noch ihre Dieselabgase aus. Das als Fahradstraße zu bezeichnen erscheint grotesk.

Fahrradstraße Alsterufer - 2019

Fahrradstraße Alsterufer im September 2019 IMG_7502_1024 IMG_7514_1024 Fahrradstraße Alsterufer im September 2019

Fußgänger, Radfahrer und Kraftfahrzeuge haben nunmal verschiedene Geschwindigkeiten. In Folge benötigen jede ihren eigenen, klar abgegrenzten Verkehrsbereich. In den Niederlanden, in Dänemark und in Österreich weiß man das. In Hamburg stehen Politiker, Planer und Entscheider in der Verantwortung. Entweder sie trennen Auto- und Radverkehr, oder sie müssen nachhaltig dafür sorgen, daß Ihre Lösung funktioniert.

Qualität

Ein Aspekt, der in der funktionalisierten Radwegeplanung generell zu kurz kommt, ist der der Muße und der Lebensqualität. Der alte Radweg entlang des Harvestehuder Wegs hat hier eine hohe Qualität. Er verläuft zwischen Bäumen und durchs Grün. Der Radfahrer muß nicht auf den Verkehr achten, er kann seinen Blick schweifen lassen. Kinder und ältere Menschen müssen nicht das Gefühl haben, von einem Bus angefahren zu werden. Sie können hier sicher fahren. Das habe ich oben im Video dargestellt.

Und schön wäre es, wenn Hamburg auch reine Fahrradstraßen bauen könnte, die tatsächlich nur für Radfahrer da wären, wie z.B. die Veloroute 10 in Kiel.

 

Nachtrag vom 17. Juni 2020

Wir fuhren in dieser lauen Sommernacht um ca. 22:30 auf der Fahrradstraße Harvesterhuder Weg aus der Innenstadt in Richtung Winterhude. Es waren Rad- und Autofahrer unterwegs. Wir fuhren zu Zweit nebeneinander. Vor und hinter uns fuhren weitere Radfahrer. Von vorn kam uns ein anderer Radfahrer entgegen. Ein Auto überholte uns von hinten, mußte aber auf meiner Höhe dem Radfahrer von vorn ausweichen, wodurch ich ebenfalls nach rechts ausweichen mußte, wo meine Partnerin fuhr. Das Auto hätte mich fast angefahren, meine Partnerin wäre fast gestürzt. Die Sache ist gerade eben gut gegangen. Im schlimmsten Fall hätte es auch Verkehrsopfer kosten können, wenn wir Radfahrer nicht ausgewichen wären. Der Autofahrer reagierte nicht auf Rufe und war schnell weg.

Das ist leider kein einmaliges Erlebnis. Die Planung, wie sie an der Alster umgesetzt wurde, funktioniert nicht. Theoretisch sollen sich Kraftfahrer auf der Fahrradstraße dem Radverkehr anpassen, sodass ein Behinderung oder Gefährdung der Radfahrer vermieden wird. Nur: Viele tun es eben nicht.

Die Stadt steht in der Pflicht. Warum müssen hier überhaupt Autos fahren? Es würde reichen, den Kfz-Verkehr nur für Anwohner freizugeben. Die Stadt muß dringend handeln, bevor es womöglich Verkehrstote gibt.