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Architekturtheorie


Thorsten Reinicke
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transform Teil 2
Architektur und Bewußtsein

Einleitung

Architektur ist immer auch ein Ausdruck unseres Bewußtseins.

Wir nehmen Materialien und Rohstoffe, die wir in unserer Umgebung vorfinden und die uns geeignet erscheinen, formen sie um und fügen sie an ausgewählten Orten neu zusammen. Architektur entsteht im Rahmen der vorgefundenen und erkannten Möglichkeiten, und unserer Ideen und Anschauungen, unseres Wissens und Könnens. Die äußeren Bedingungen und unser inneres Denken bestimmen unser Handeln. Das entspricht den drei philosophischen Grundfragen: Wie ist die Welt? Wie sind wir selbst? Wie handeln wir? Das Sein, die Erkenntnis, die Moral. Was und wie wir bauen, ist abhängig davon, welches Bewußtsein wir darüber haben.

Bewußtsein bedeutet ja nicht nur, sich über etwas bewußt zu sein, sondern auch die innere Befähigung und Bereitschaft, sich überhaupt über etwas bewußt werden zu können und zu wollen. Das ist abhängig vom Entwicklungstand unserer Erkenntnis und Erkenntnisfähigkeit. Die von der Bewußtseinsforschung für die Evolution unseres Bewußtseins entworfenen Theorien weisen in ihren Grundzügen Gemeinsamkeiten auf, nämlich ganz allgemein eine Bewußtseinsentwicklung aus einem archaischen Urbewußtsein heraus über die Magie und den Glauben hin zur Rationalität und über diese hinaus.

Die mental-rationale Stufe ist uns heute vertraut und selbstverständlich. Gottesfurcht ist uns fremd geworden. Unser Denken und Handeln ist zumeist vernunftgeleitet und an Zwecken ausgerichtet. Unser Handeln soll vor unserer Vernunft bestehen. In der Architektur findet diese Bewußtseinsstruktur ihre Entfaltung im Funktionalismus. Bauaufgaben sollen mit Verstand und Logik gelöst werden. Funktionale Aspekte werden gegenüber der ästhetischen Form betont. Ein Entwurf soll begründet und erklärt werden können.

Aber die rein rationale Stufe unseres Bewußtseins ist heute defizitär geworden. Offensichtlich können wir mit ihr unsere mannigfachen globalen Probleme nicht mehr lösen. Gibt es Möglichkeiten, in der Architektur, im Bauen, die Nachteile eines funktionalen Denkens zu überwinden? Obwohl der Funktionalismus Bedürfnisse, technische Anforderungen, Hygiene und Weiteres gut erfüllen kann, bleiben Unzufriedenheiten. Es wird etwas vermißt. Was ist das, was vermißt wird, was sich mit Rationalität nicht erfassen läßt?

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