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Naturbewußtsein
Naturbewußtsein ist ein vergleichsweise neuer Begriff. Es geht um das Bewußtsein über die Natur, um Naturschutz und biologische Vielfalt. Seit 2009 werden regelmäßig Naturbewußtseinsstudien veröffentlich.
Es ist immer wieder vom Umweltschutz und Naturschutz die Rede. Im Umweltschutz sollen die schädigenden Einflüsse unseres Verhaltens auf die natürliche Umwelt reduziert, im Naturschutz Maßnahmen zur Erhaltung der Biodiversität und zum Management von Ökosystemen ergriffen werden.
Beide Begriffe implizieren, wie wären in der Lage, die lebendige Natur, die lebendige Umwelt schützen zu können.
Evolution und Lebensraum
Wir Menschen sind in der Evolution des Lebens auf der Erde eine sehr späte Erscheinung.
Woher kommen wir?
Nach heutiger Erkenntnis wurde das Leben vermutlich vor etwa 3,5 Milliarden Jahren durch Kometeneinschläge auf die Erde gebracht. Danach hat sich die DNA (en: deoxyribonucleic acid) über diesen sehr langen Zeitraum aus anfänglichen Einzellern in unüberschaubar vielfältiger Form entfaltet. Es entstanden sich selbst organisierende Systeme aus unzähligen kleinen und großen Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen, an Land, im Wasser und in der Luft. Es entstanden fruchtbare Landschaften und eine lebensgerechte Atmosphäre. Es entstand die Biosphäre der Erde, die von Lebewesen wie uns bewohnt werden kann.
Das geschah ohne uns Menschen.
In diesem Umfeld entwickelten wir uns als - selbsternannte - Primaten unter den Säugetieren. Die lebendige Natur brachte uns hervor, nachdem sie zuvor für sich selbst die Bedingungen für ihre Existenz geschaffen hat.
Das klingt, als hätte die Natur ein Bewußtsein. Aber das wissen wir nicht.
In jedem Fall stehen dahinter Millionen Jahre. Das Ökosystem, welches in unvorstellbar langen Zeiten gewachsen ist, die Evolution, hat uns hervorgebracht. Vom ihm werden wir versorgt. Wir bekommen die Luft zum Atmen, das Wasser zum Trinken, die Früchte zum Essen. Dahinter steht eine Erfahrung und Weisheit, die wir nicht wirklich verstehen, so scheint es.
Natürlicher Schutz
Es ist eine sehr dünne Schicht von wenigen Kilometern, die sich rund um den Planeten gelegt hat, in der wir die Lebensbedingungen vorfinden, die wir für unser Leben benötigen. Nur wenige Kilometer höher wäre die Luft zu dünn oder nicht mehr vorhanden. Es wäre auch zu kalt. Wir können uns auch nicht unter der Erdoberfläche aufhalten. Faktisch schützt uns die Biosphäre vor den Unbilden des Universums. Auf einem nackten Planeten, wie z.B. dem Mars, könnten wir nicht überleben.
So betrachtet beschützt uns die Natur.
Es mutet anmaßend an, wenn wir meinen, mit Umwelt- und Naturschutz etwas beschützen zu müssen oder zu können, welches tatsächlich aber uns beschützt. Das könnten wir erkennen.
Dominium terrae und Earth Overshoot Day
Dominium terrae, die „Herrschaft über die Erde“, ist ein wirkungsgeschichtlich bedeutendes Motiv aus dem Alten Testament. Genesis 1,28 EU: „Seid fruchtbar und mehrt euch, füllt die Erde und unterwerft sie und waltet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die auf der Erde kriechen!".
Mit dieser Einstellung waren wir bislang erfolgreich. Wir bauten Städte, Straßen und Produktionsanlagen, als Grundlage für unser Wohlleben und einer breit gefächerten Kultur. Doch diese Entwicklung setzt sich heute in einer Ausbeutung der Natur fort. Die negativen Folgen für unser Leben bekommen wir bereits zu spüren. Es funktioniert nicht mehr.
Heute sprechen wir vom Earth Overshoot Day, dem Erdüberlastungstag. Die Erde hat nur eine begrenzte Kapazität zur Reproduktion von Ressourcen. Demzufolge können wir pro Zeiteinhait nur ein bestimmtes Kontingent an in dieser Zeit nachwachsenden Rohstoffen entnehmen. Überschreiten wir das, dann wird das Ökosysten überlastet. Seit 1970 übersteigt der jährliche Verbrauch die global zur Verfügung stehenden Ressourcen mit steigender Tendenz. In 2024 wurde das 1,7-Fache der jährlichen Ressourcen verbraucht. Das Ergebnis ist eine zunehmende Schädigung des Ökosystems.
Entscheidung
Das Ökosystem ist ein komplexes dynamisches System. Wir wissen nicht, welche Elastizität es besitzt und an welcher Stelle und wann genau Kipppunkte überschritten werden. Es können andersgeartete Attraktoren entstehen, die unser Überleben im Gessamtsystem nicht mehr gewährleisten.
Für unsere Gesundheit, für einen gesunden Körper, brauchen wir eine - für uns - gesunde Umwelt. Wir sind untrennbar mit dem Leben um uns herum verbunden. Das Leben von wenigen Menschen auf der Internationalen Raumstation ISS funktioniert nur, weil es von der Erde aus unterstützt wird.
Wir können dem Ökosystem zwar weiter Schaden zufügen und damit uns selbst mehr und mehr die Lebensgrundlagen nehmen. Aber wir können es nicht neu erschaffen. Wir haben nicht die Fähigkeit, Leben erschaffen zu können. Unsere Entscheidungsmöglichkeit besteht nur darin, dem System keinen weiteren Schaden zu zufügen und ihm darüberhinaus Gelegenheit zu geben, sich zu erholen. Wenn wir überleben wollen, dürfen wir die Natur nur soweit für unsere Wünsche nutzen, als daß sie nicht vollends aus der Balance gerät.
Architekten
Im Baugeschehen geht es um die Baustoffherstellung samt Rohstoffgewinnung, um deren Transport, um Planung, Bau, Betrieb und Abriss von Bauwerken, sowie um die Kosten und das Budget von Bauherren. Es war schon immer die Aufgabe von Architekten, mit diesen Ressourcen in irgendeiner Form umzugehen.
Aber was früher unendlich erschien, wird heute zunehmend begrenzter. Die Erde war noch nicht vollends entdeckt, wir waren weniger Menschen. Die Erde erschien als Füllhorn, dem Architekten beliebig Material entnehmen konnten.
Das hat sich heute grundlegend geändert. Die Zahl der Menschen ist drastisch angestiegen. Wir können die Erde rundherum bereisen. Nach und nach erkennen wir die Begrenztheit des Planeten. Und wir erkennen auch, wie wir ihn ausbeuten.
Das Bauwesen hat einen hohen Ressourcenbedarf. Es gilt, diesen in Einklang mit den natürlichen Ressourcen zu bringen. Hierfür müssen Architekten und alle am Bau Beteiligten die natürlichen Gegebenheiten erkennen, anerkennen und dafür ein verändertes Bewußtsein entwickeln.
Zusammenfassung
Das Baugeschehen kann sich anteilmäßig nur im Rahmen dessen bewegen, was wir der Natur entnehmen können, ohne damit das Ökosystem zu schädigen und ohne ihm die Erholungsmöglichkeit zu nehmen. Hierfür müssen Architekten zusätzlich ein Naturbewußtsein entwickeln.
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Gebäudeforum - Ressourcen und Emissionen im Bauwesen
VDI Zentrum Ressourceneffizienz - Ressourcenverbrauch im Bauwesen
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