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Architekturtheorie


Thorsten Reinicke
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Integration der Natur

Zusammenfassung 2 4 Ökologie

Flächen- und Stadtplanung muß die natürlichen Habitate von Pflanzen und Tieren berücksichtigen, sie in unsere gebaute Welt integrieren und über Habitatsbrücken miteinander verbinden.

Integration von Habitaten

Unsere Zivilisation ist von den ökologischen Grundlagen abhängig. Es reicht es nicht mehr aus, einige Gebiete außerhalb unserer zivilisatorischen Nutzung zu Naturschutzgebieten zu erklären. Wir müssen vielmehr das ehemals Natürliche mehr erkennen und in unsere künstliche Welt integrieren. Sie muß mit der natürlichen Welt in einer anderen Art koexistieren. Hier können Baugeschehen und Architektur einiges beitragen.

Habitate von Pflanzen und Tieren müssen Teil der Planung werden. Wir brauchen eine veränderte Flächennutzungs- und Bebauungsplanung. Bei habitatszerschneidenden Autobahnen wird das teils schon gemacht, indem breite bepflanzte Brücken gebaut werden, die von Wildtieren überquert werden können. Über solche Habitatsbrücken können wieder Wechselwirkungen stattfinden.

Innerstädtische Naturschutzgebiete

Das ließe sich in bebaute Gebiete übertragen. In vorstädtischen Einfamilienhausgebieten wäre es vergleichsweise einfach. Die überbaubare Fläche ist ja sehr begrenzt, zumeist darf nur ein kleinerer Teil des Grundstücks bebaut werden. Als ergänzende Bestimmung könnte hinzukommen, daß ein anderer Teil als Naturschutzfläche zu behandeln wäre. Von benachbarten Grundstücken könnten die Flächen zusammengelegt werden. Auf diese Weise könnten neue Habitate und zugleich Brücken zwischen naturbelassenen Gebieten außerhalb des Siedlungsraumes geschaffen werden.

Ökologische Wüste aus Stein und Kiesel Naturbelassener Garten mit vielen Insekten
Zwei Beispiele
Fotos: Thorsten Reinicke, ©2019

Um es zu veranschaulichen:
Bei einer Grundstücksgröße von 500 m2 sind vielleicht 100 - 150 m2 bebaut. Von der verbleibenden Fläche von 350 - 400 m2 dürfte dann auf vielleicht 50 m2 keine gärtnerische Tätigkeit erfolgen. Pflanzen und Tiere blieben hier ungestört.

In der Stadt könnten Teile von innerstädtischen Parks, kleine Stadtteile oder bei Blockrandbebauung ein Straßenblock zu Naturschutzgebieten erklärt werden, also auch hier kleine Gebiete oder Flächen, in denen gärtnerische oder sonstige Eingriffe entfallen. Es könnten Wege hindurchgeführt werden. Die dürften nicht verlassen werden, böten aber für den Stadtmenschen einen hohen Erholungswert.

Ganz allgemein muß es in großflächig besiedelten Gebieten immer wieder Flächen geben, in denen die ursprüngliche Natur Vorang hat und nicht wir Menschen.

Naturflächenzahl

Flächennutzungs- und Bebauungspläne werden ja mit einem Maß für die bauliche Nutzung versehen, wie die Grundflächenzahl (GRZ) und die Geschoßflächenzahl (GFZ). Denkbar wäre daneben eine Naturflächenzahl (NFZ). Damit ist nicht der nicht überbaute Teil eines Grundstücks gemeint, sondern speziell eine Fläche als eine Art Naturschutzfläche, in der menschliche Eingriffe weitgehend entfallen. Es geht hier um ein Mindestmaß für den Verbleib von ursprünglicher Natur innerhalb besiedelter Gebiete und Städte. Das obige Beispiel hätte eine GRZ von bis zu 0,3 (150 m2 von 500 m2), und eine NFZ von 0,1 (50 m2 von 500 m2).

Beispiel Avignon

Die Altstadt ist nahezu original erhalten und ringsum von einer ebenfalls gut erhaltenen alten Stadtmauer umgeben. Der außerhalb herumführende Ring wird in 2019 neu gestaltet. Ganz außen verbleibt eine deutlich schmalere Straße. Es folgen über Rasen geführte Straßenbahnschienen und ein breiter Fußweg. Direkt an der Stadtmauer wurde ein Grünstreifen mit den natürlichen Pflanzen der Provence geplant, der offensichtlich keinen gärtnerischen Eingriffen unterliegen soll. Der Streifen ist je nach Lage ca. drei bis sieben Meter breit. Das mag wenig spektakulär erscheinen. Entscheidend ist jedoch, daß eine ursprüngliche Natur innerstädtisch planerische Berücksichtigung fand. Für viele Pflanzen, Vögel, Insekten und Kleintiere kann das schon ausreichend sein, vielleicht auch als Habitatsbrücke quer durch die Stadt.

Links die Straße, dann Straßenbahnschienen und Fußweg, rechts der naturbelassene Streifen Grünstreifen an der Stadtmauer Gärtnerische Eingriffe entfallen weitgehend Die Vorbereitung des Grünstreifens Straßenbahn auf Rasen Haltestelle
Ökologie in Avignon
Fotos: Thorsten Reinicke, 2019

Beispiel Alster, Hamburg

Hier wurden Teile des Ufers der Außenalster renaturiert. Mittlerweils ist ein Biotop mit vielen Arten und einem hohen Erholungswert entstanden. Natürlich bietet ein innerstädtischer See ideale Voraussetzungen dafür.

Biotop an der Alster Biotop an der Alster Biotop an der Alster Biotop an der Alster
Biotop an der Alster
Fotos: Thorsten Reinicke, 2019

Zusammenfassung

Flächen- und Stadtplanung muß die natürlichen Habitate von Pflanzen und Tieren berücksichtigen, sie in unsere gebaute Welt integrieren und über Habitatsbrücken miteinander verbinden. Denkbar ist die Einführung einer Naturflächenzahl. Architektur muß bewußter mit Material und Energie umgehen, indem einfacher, energetisch effektiv und dauerhafter gebaut wird.

Quellen

• ARTE vom 21.03.2019: Eine Überschätzte Spezies – Das Alter der Vernunft?  
• Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES)  
• Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) - Weltbiodiversitätsrat (IPBES)  
• International Union for Conservation of Nature (IUCN)  
• Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) - Die Weltnaturschutzunion (IUCN)  
• tagesschau.de Kommentar vom 06.05.2019: Die Zeit der Ausreden ist vorbei  
• Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 06.05.2019 – Eine Million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht  
• Spiegel Online vom 06.05.2019 – Auf dem Weg in die ökologische Insolvenz  
• Youtube: Erwin Thoma Häuser wie der Baum  
• ZDF Heute Journal 22.05.2018
• BUND Magazin 02-19
• Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - Städte nachhaltig gestalten (PDF)  
• Umweltbundesamt – Struktur der Flächennutzung  
• Umweltbundesamt - Globale Landflächen und Biomasse (PDF)  
• Bund Deutscher Architekten – Das Haus der Erde. Positionen für eine klimagerechte Architektur in Stadt und Land  

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